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Maltechnik
Autor: Prof. Oskar Emmenegger
1. Allgemeines
Blättern wir Zeitungen durch, so lesen wir eigentlich
"wertvolle Fresken entdeckt" oder "Fresken restauriert",
wobei Fresko häufig mit Wandmalerei gleichgesetzt wird.
Mit andern Worten, die Terminologie der verschiedenen,
an der Wand vorkommenden Techniken ist heute noch
grösstenteils unbekannt.
Wie kam es zu dieser Situation ? Bis ins 19.
Jahrhundert standen die Wand- und Deckenmalereien in
einem engen Verhältnis mit der Farbigkeit der
Architektur. Der Handwerker war gewöhnt, mit Farben eine
Oberfläche zu betonen oder zu verhüllen bzw. zu
entmaterialisieren. Die Materialverfremdung durch eine
Farbgebung stand als Mittel künstlerischer Aussage
gleichberechtigt neben dem Einsatz des natürlich
vorkommenden Materials. Das 19. Jahrhundert
interessierte sich nicht mehr für den barocken
Illusionismus. Die Werkstofftreue und die sogenannte
Materialgerechtigkeit setzte sich immer mehr durch, was
auch die Funktion der Farbe an Wand und Architektur
ungünstig beeinflusste. Aber auch die einsetzende
Industrialisierung, die mit neuen Fabrikations- und
Verarbeitungsmethoden sowie chemischen Überlegungen das
Farb- und Materialangebot stark erweiterte, ist
mitverantwortlich für den Traditionsverlust. Heute
bemühen sich Restauratoren, Denkmalpfleger und
Technologen, die Einheit vom theoretischen Wissen und
praktischer Erfahrung wieder herzustellen. Restauratoren
und Denkmalpfleger werden durch ihre konservierende
Tätigkeit gezwungen, sich technologiewissenschaftlich zu
orientieren. Wenn sie dem Aufbau und der Geschichte
einer Wandmalerei nachgehen, verfolgen sie vor allem
einen konservatorisch praktischen Zweck. Aus den in der
jahrelangen Praxis gewonnenen Erfahrungen stammt ein
wichtiger Teil der Grundlagenforschung. Nicht nur der
Zustand und die Schadenursachen sind entscheidend für
die Wahl der Konservierungsmittel und Massnahmen,
sondern auch das Wissen, was und wie viel verträgt die
zu restaurierende Malerei, und das setzt voraus, dass
man die Maltechnik eines Wandbildes vor einer
Restaurierung genau erfassen muss. Ein geflügeltes Wort
sagt, dass die Zerstörung eines Kunstwerkes in dem
Moment beginnt, wo es vollendet ist. Denn jeder
maltechnische Fehler, jede Schwäche einer Maltechnik,
jede für die Wand ungeeignete gewählte Technik, jedes
Zuviel an Bindemittel, aber auch jede falsch getroffene
Konservierungsmassnahme etc. beschleunigt die
Zerstörung.
Woran liegt es, dass an einer Wand- oder
Deckenmalerei das maltechnische Vorgehen so schwierig zu
erfassen ist ? Oft entspricht das technische Vorgehen
nicht einer definierten Technik allein, sondern
verschiedenen. In den seltensten Fällen haben wir ein
werkstattfrisches Werk vor uns. Meist ist sein
Erscheinungsbild durch Alterung des Materials, durch
Verwitterung oder durch menschliche Eingriffe wie
Übermalungen oder Freilegung verändert.
Welche Techniken kommen nun an der Wand vor ? Wie
werden sie bezeichnet ? Wo ist die Bezeichnung unklar
oder umstritten ? Das Buch von Paul Philippot über "Die
Wandmalerei" ist sicher wegweisend. Man spricht von
einem "in udo", oder seit dem 15. Jahrhundert von den in
Italien eingeführten Begriffen "fresco", "fresco buono"
oder "affresco" Auftrag, also vom Auftrag der Farben auf
einen noch frischen Verputz. Den Auftrag der Farben auf
einen trockenen Grund wie abgebundener Verputz, Stein
oder Holz bezeichnet man als "in arrido" oder "secco"
Auftrag. "Kalksecco", "fresco secco" oder "mezzo fresco"
ist unklar.Deshalb sollten wir die Techniken der
Wandmalerei in drei Gruppen einteilen:
- Freskomalerei
- Kalkmalerei
- Seccomalerei
Da nur wenige Restauratoren, Technologen und
Kunsthistoriker in der Lage sind, diese drei Gruppen
eindeutig zu unterscheiden sollten wir ganz allgemein
von Wandmalerei sprechen.
2. Geltungsbereich
Da Sehen wir von den Felsen- und Höhlenmalereien ab,
so setzt Wandmalerei künstlich Gebautes, nämlich
Architektur mit geschlossener Bauhaut, voraus. Das
Angebot von solch unbeweglichen Bildträgern richtet sich
einerseits nach der Bautechnik, andererseits nach dem
Baustil; spärlich bei der Form des Skelettbaues,
reichlich bei den geschlossenen Flächen der
"Vollwand"-Architektur. Die byzantinischen und die
romanischen Bauten erwiesen sich als Malerei freundlich
im Gegensatz zur wandflächenarmen Konstruktionsweise
z.B. der gotischen Kathedralen. In der Gotik wurde das
Wandbild in den Kulturzentren zudem durch die
Glasmalerei verdrängt und fand nur noch Platz an
einzelnen Pfeilern oder votivartig auf kleinen
Wandflächen. Andere flächenreichere Ausprägungen
gotischer Baukunst haben der Wandmalerei eine
hervorragende Entfaltung ermöglicht, oft sogar
stellvertretend die Architektur illusionistische
ersetzt.
Die Möglichkeiten reichen also von den der
Architektur nur zugefügten Folgen von Bildern in Felder-
oder Registeraufteilungen, in erzählenden oder
repräsentativen Formen bis zu den völlig sich
einordnenden und den Bau optisch umformenden Gemälden.
3. Bildträger
Natürliche Bildträger: Fels, Höhlen, Balmen
Prähistorisch (Val Carchenna) Historische Epochen: - In
Fels gehauene Kammer der Etruskischen Gräber - Höhlen
und Felsenkirchen, Kapadokien (Grotten -Gruft -
Felsenkirchen, 7. - 13. Jh.) - Desgleichen Zypern,
Pestani, Äthiopien Künstliche Bildträger:
Mauerwerke, Wände aus:
- Stein, Erde
- Gefach- oder Skelettbauweise, geschlossen mit
verschiedenen Materialien (S. 20)
Putzaufbau:
- Einschichtputz = Intonaco
- Mehrschichtputz = Arriccio & Intonaco
4. Übersicht der Haupttechniken an der Wand
4.1 Die Freskomalerei
4.2 Die Kalkmalerei
4.3.1 Leim/Kaseinmalerei
4.2.2 Tempera
4.3.3 Öl, Harz- und Wachsmalerei
4.3.4 Misch-, Wechsel und Kombinationstechniken
4.3.5 Hinweis auf neuere Techniken
4.3.6 Spezial und Zusatztechniken
4.1 Die Freskomalerei
Von fresco oder fresco buono spricht man, wenn ein
wesentlicher Teil der Malerei auf dem noch frischen,
aber bereits druckfesten Kalkverputz ausgeführt ist. In
der Regel werden die Pigmente mit Wasser,
Kalksinterwasser oder Kalkmilch angerieben oder darin
eingesumpft und dann auf dem Kalkmörtel vermalt. Der
Kalk (Calciumhydroxid) im Verputz nimmt aus der Luft
Kohlensäure auf, es entsteht die Verbindung
Calciumkarbonat, das die affresco aufgetragenen Pigmente
wetterfest mit dem Verputz abbinden lässt. Beim
fresco-Malen ist ff. zu beachten:
- Die Bindung der Pigmente bei der Karbonatbildung
des Kalkes erfolgt nur bei noch feuchtem Putz.
- Die Calciumkarbonatbildung beginnt sofort nach
dem Mörtelauftrag auf der Putzoberfläche. Es
entsteht zuerst eine dünne Sinterschicht, die immer
dicker wird und mit der Zeit die ganze Mal- und
Mörtelschicht erfasst. Ist diese Sinterschicht vor
dem Farbauftrag bereits zu dicht, kann sie zur
Trennschicht zwischen Malschicht und Mörtelschicht
werden.
- Trocknet der Mörtel zu schnell, wird die
Calciumkarbonatbildung verlangsamt oder gar
gestoppt, das heisst, der Kalk verbrennt, so dass
der Mörtel in den tiefer liegenden Zonen sandet. Die
Pigmente sind mit Calciumkarbonat nur überlagert,
nicht aber umhüllt, also ungenügend mit der
Verputzschicht verbunden. Die Malerei wittert darum
schon ab, bevor sie genügend mit dem Verputz
abgebunden ist. - Die dem Maler zur Verfügung
stehende Zeit, die Farben affresco aufzutragen, ist
von der Beschaffenheit des Maluntergrundes und wie
lange dieser feucht bleibt abhängig. Liegt der
Verputz zum Beispiel auf einer Mauer aus porösem
Material wie Ziegel- oder Sandstein, wird ihm das
Wasser schnell entzogen. Dasselbe passiert, wenn das
Mauerwerk zu wenig vorgenetzt wird, oder wenn die zu
bemalende Putzschicht auf einem älteren Verputz
(Arriccio) appliziert wird. Im Idealfall kann der
Verputz während 3 bis 5 Stunden bemalt werden.
- Durch geringe Zusätze von Eiweiss oder
trocknenden Ölen kann der Abbindungsprozess um
Stunden verzögert werden.
- Fresco können nur kalkbeständige Pigmente
vermalt werden.
- Die Pigmente brauchen unterschiedliche Mengen
von Bindemittel. Grosse Mengen benötigen die
Lasurfarben wie Grüne Erde, Terra di Siena oder die
dunkelroten, feinteiligen Eisenoxyde. Diese Farben
erhalten bei der Freskotechnik zu wenig Bindemittel,
da die Calciumkarbonatbildung nicht individuell
erfolgt. Folglich müssen sie sehr schnell auf dem
Verputz vermalt oder aber mit etwas Kalk
verschnitten werden, sonst entsteht nur eine
schwache Bindung mit dem Verputz, und die Witterung
baut sie bald ab.
- Es wird immer nur soviel Verputz aufgetragen,
wie der Maler verarbeiten kann. Nicht am gleichen
Tag bemalter Verputz ist zu entfernen.
Es gibt keine Malerei, die ganz in Freskotechnik
ausgeführt ist, denn nicht alle, in der Regel
verwendeten Pigmente sind freskotauglich, das heisst,
einige Pigmente können nur secco aufgetragen werden.
Ferner verlangten oft gewollte künstlerische Effekte ein
Malvorgehen im Seccoverfahren, Secco appliziert werden
auch Metallauflagen wie Gold, Zwischgold, Zinnfolien
etc. oder in Model geformten Pressbrokate oder
Kreidegrundgüsse, die mit Lüsterfarben oder
Schwarzlotzeichnungen übergangen werden. Trotz solcher
Seccoanteile darf man von Freskomalerei sprechen. Unklar
bleibt, von welchen Seccoanteil an man von einer
Mischtechnik sprechen soll.
Maltechnische Kniffe zur Verbesserung des
Abbindungsprozesses wie Eiweiss oder trocknende Öle dem
Mörtel, der Kalkschlämme oder den Pigmenten beizugeben,
werden von Restauratoren, Kunsthistorikern und
Naturwissenschaftern oft falsch gedeutet. Diese Zusätze,
die auch Bindemittel beim Seccoauftrag sein können, sind
zu oft Verzögerer. Noch heute weiss jeder Maler, der mit
Kalk als Anstrichmittel umgehen kann, dass der Anstrich
langsamer und somit besser abbindet, wenn dem Kalk
geringe Zusätze von Kasein oder trocknenden Ölen
beigemengt werden. Ein Malerstandardrezept heisst "auf
10 Liter dick gestochenen Sumpfkalk 1-2 Esslöffel
Leinöl". Diese geringe Menge Leinöl kann überhaupt kein
Bindemittel sein. Frage: Von welchem Anteil an spricht
man nicht mehr von Verzögerer, sondern von Bindemittel?
Zu oft hört man, dass wenn auf der Putzschicht vor
dem Farbauftrag zuerst eine Kalkschlämme aufgetragen
wurde, es sich keinesfalls um eine Freskomalerei handeln
könne. Man vergisst zu oft, dass Kalk nicht nur
Bindemittel, sondern ,historisch gesehen, das einzige
freskotaugliche Weiss war. Entscheidend, ob die Malerei
oder Anteile davon in Freskotechnik ist oder nicht,
bestimmt nicht das Vorhandensein einer Kalkschlämme oder
Zusätze von trocknendem Öl oder Eiweiss (Verzögerer).
Massgebend ist, dass die Kalkschlämme, resp. die Farbe
oder Paket Kalkanstrich und Farbe auf den noch frischen
Verputz aufgetragen wird. Eine gut abgebundene
Freskomalerei weist immer einen leichten Seidenglanz
auf. Seccoaufträge oder zu späte aufgetragene Farben
setzen sich matt ab.
5. Schichtaufbau zur Malhaut
- Arriccio-Skizze = Sinopie
- Intonaco-Skizze = Unterzeichnung bestehend aus
Zirkelschlag, Schnurschlag, Detailzeichnung, Ritzen,
Lochpause, Durchdrücken, Schablonen
- Untermalung = Veneda, Verdaccio, Lokalton
- Schattierung = Lasuren, Schraffen, Deckenauftrag
- Weisshöhnung = pointilistisch, strichelnd MA,
vertreibend Renaissance und Barock
- Binnenzeichnung = Vorzeichnung, Endzeichnung,
Kontorierung
6. Pontate, Giornate
Betrachtet man ein bemaltes oder unbemaltes
historisches Intonaco im Streiflicht, erkennt man nicht
nur die Oberflächenstruktur des Verputzes, die durch die
Handschrift des Maurers und durch das verwendete
Applizierinstrument entstanden ist, sondern es lassen
sich auch die sogenannten Pontate und Giornate ablesen.
Bei einem Verputz ohne Malerei sieht man vor allem die
Pontate, deren Entstehung von den Gerüstgängen abhängig
ist. Die an einem Tag verputzte Intonacofläche wird
Giornate genannt. Sowohl Pontate als auch Giornate
zeichnen sich durch eine sichtbare Naht ab. Wird nun
eine Wand mit Freskomalerei versehen, richtet sich die
Tagesleistung nicht mehr nach dem Maurer, sondern nach
dem Leistungsvermögen bzw. Ausführungsplan des Malers.
Die am selben Tag aufgetragenen und bemalte
Intonacofläche wird wesentlich kleiner, man sieht also
viel mehr Giornatenähte.
Wie entstehen Pontate und Giornate ?
Pontate gibt es grundsätzlich nur an einer Wand oder
an den unteren Gewölbeanfängen. Sie richten sich, wie
oben erwähnt, nach den Gerüstgängen und verlaufen
folglich mehr oder weniger immer waagrecht. Man spricht
heute auch von einer Pontate, wenn die waagrechten
Putznähte sich nicht nach den Gerüstgängen orientieren,
sondern nach den oberen und unteren Begrenzungen eines
Bildfrieses. Eine Giornatenaht richtet sich nach dem
Gestaltungswillen oder dem Arbeitskonzept des Malers und
kann daher waagrecht, senkrecht, diagonal oder auch rund
verlaufen. Die Nahtstellen entstehen dort, wo mit
auftragen und bemalen des Verputzes aufgehört wurde und
wo frühestens am folgenden Tag eine weitere
Intonacofläche appliziert wurde. Man erkennt die
Nahtstellen dort wo die Ränder der älteren
Intonacofläche mehr oder weniger präzise abgeschnitten
sind und das neue Intonaco daran anstösst. Als Beispiel
seien die Malereien von Masaccio in der Kirche Sta.
Marai Novella in Florenz, die Lettner-Malerei, Ende 15
Jahrhundert, in Sta. Marai della Grazia in Bellinzona
und die Malereien von Paul Troger im Kloster Melk, 18.
Jahrhundert, erwähnt. Mehrheitlich jedoch trifft man
Pontate- oder Giornatenähte, wo die neue Intonacofläche
die bestehende überlappt. Pontate lassen sich in der
Regel besser als die Giornate ablesen.
Wie stark sich eine Giornate abzeichnet, ist abhängig
von der Korngrössenverteilung des Zuschlagstoffes im
Mörtel. Ein feiner Mörtel erlaubt eine besser
Angleichung an das bestehende Intonaco. Die
byzantinischen Malereien zum Beispiel liegen auf einem
Verputz, der fast ausschliesslich aus Kalk besteht. Die
Zuschlagsstoffe sind zwischen 5 bis 20 % zu Heckseln
geschnittenen Stroh oder Werg gelegentlich geringe
Anteile feinen Sandes. Mit einer solchen Mörtelmischung
lassen sich Intonaconähte praktische unsichtbar
ineinander verarbeiten.
An ein bereits abgebundenes Intonaco lässt sich die
neue Auftragsfläche nicht mehr unsichtbar angleichen.
Die Auftragsdicke des Intonacos und ein gut
vorgenetzter Grund ist mitentscheidend, dafür wie stark
sichtbar die Putzanschlüse werden. Ein in einem
Innenraum dick aufgetragenes Intonaco aus einem feinen
Kalkmörtel lässt sich problemlos noch am folgenden Tag,
bei günstigen Arbeitsverhältnissen sogar noch nach zwei
Tagen, fast unsichtbar an die bestehende Intonacofläche
anpassen. Dies ist der Grund, weshalb man bei einem
mittelalterlichen Freskomalereien die Pontate im
Gegensatz zu den Giornate immer gut sieht, vor allem bei
übereinanderliegenden Registern von Bildzyklen. Die
Putzgrenze des unteren Bildrandes eines Bildregisters
ist bereits mehrere Tage oder Wochen alt, also bereits
trocken und hart, wenn der Anschluss einer neuen
Bildreihe erfolgt. Sieht man innerhalb einer bemalten
Intonacofläche scharf sich abzeichnende Nähte, die
eindeutig keine Pontate sind, darf man diese nicht
einfach als Giornatogrenze bezeichnen. Viele
Technologen, Kunsthistoriker und Restauratoren, die von
einer theoretischen und zu wenig von der praktischen
Seite her analysieren, beurteilen die Situation falsch.
Die Tagwerktheorie lässt sich nicht einfach
verallgemeinern. Schlecht verarbeitete und daher gut
sichtbare Anschlussnähte scheinen immer verdächtig,
keine Tagwerke, sondern Putzanschlüsse zu sein, die erst
nach Tagen erfolgten. Die aktuelle Tagwerktheorie ist an
früh- und hochmittelalterlichen Freskomalereien nur
beschränkt gültig. Sich klar abzeichnende bemalte
Registerfelder sind fast immer Arbeitsflächen von
mehreren Tagen. Die wirkliche Tagesleistung innerhalb
dieser Felder bleibt für den nicht versierten Fachmann
unlesbar.
Interessant ist ein Hinweis aus dem Kapitel 59 vom
"Malerhandbuch des Malermönches Dionysios vom Berge
Athos". Die Übersetzung des Kap. 59 von Berger in
"Quellen und Technik der Fresco-, Öl- und Temperamalerei
des Mittelalters (München 1912), Seite 93 (?) lautet:
"...Poliere deren Oberfläche und wende das Schwarze
(Veneda) an, poliere die Gewandung und lege den Grund
an. Suche schneller als in einer Stunder fertig zu
malen, was du poliert hast, denn wenn du lange wartest,
so zieht es Haut, nimmt die Farbe nicht mehr an,...
Dieses Kapitel 59 macht deutlich, dass der Maler
darauf aufmerksam gemacht wird, die aufgetragene und
polierte (geglättete) Intonacofläche innerhalb einer
Stunde zu bemalen. Ferner ist aus dem Text zu entnehmen,
dass die Fläche für das Schwarz (Veneda) zuerst poliert
und bemalt wurde, dann die Fläche mit der Gewandung usw.
Also ein Vorgehen nach abgestimmten Flächenportionen und
der Reihenfolge, zuerst der Hintergrund, dann das Gewand
und dann erst Gesicht und Hände. Daraus ist aber auch zu
entnehmen, dass bewusste Unterteilungen gemacht wurden,
weil der Maler nicht imstande ist, innerhalb einer
Stunde grosse Flächen zu bemalen, geschweige denn ein
ganzes Registerfeld an eine ganzen Tag. Fassen wir
zusammen:
- Der Begriff Giornate und Pontate ist richtig,
nicht aber überal verwendbar, wo sich Putzanschlüsse
durch Nähte abzeichnen. Also nur dort, wo sie das
Feld einer wirklichen Tagesleistung markieren, wie
dies grösstenteils bei Giotto, seiner Nachfolger und
den barocken Malern der Fall ist.
- Es gibt zwei Arten von Giornte: Bei der einen
überlappen die Anschlüsse der Putzübergänge. Sie
wurden durch Glätten oft nahezu, unsichtbar,
ineinander verarbeitet. Die anderer Art von Giornate
entstand dadurch, weil die übrigen unbemalten
Partien präzise abgeschnitten wurden und die später
folgenden daran anstossen. Diese Art von
Putzanschlüssen lässt sich nicht verbergen und
bleibt daher immer gut abzulesen.
- Die überlappenden Übergänge (Giornate) sind
typisch für die byzantinischen Malereien und deren
verbreitete Tradition im Früh- und Hochmittelalter.
Die anstossenden Giornate sind typische für die
römische Malerei und werden von Giotto in Italien
wieder aufgenommen und verbreitete.
- Beide Varianten arbeiten nach mehreren
entsprechenden Auftragsportionen innerhalb einer
Tagesleistung, deren Grössen sich nach dem Thema
richten.
- Dieses Vorgehen, auf das in Kellenportionen
aufgetragene Intonaco, sofort zu zeichnen und zu
malen, hat nur für das Fresko Gültigkeit, nicht für
Seccomalereien.
- Die Kalkmalerei geht ähnlich vor. Entweder
werden im obigen Sinne die Intonacoskizzen affresco
gemalt und nachher die zu bemalenden Arbeitsflächen
portionenweise mit Kalk angelegt oder aufgeschlämmt.
Oder man umging die Intonacoskizze und zeichnete
direkt auf die Kalkschlämme und bemalte diese.
7. Sinopien / Arriccio-Skizze (126-28)
Der für sie üblich gewordene Name Sinopie rührt vom
Material her, mit welchem man die Umrisszeichnungen auf
dem Arriccio ausführte, nämlich mit der Rötel. Es ist
dies ein roter Ocker besonderer Qualität, der in Sinop
am Schwarzen Meer gewonnen wird.
Plinius (XXXV Buch Kap. 4.13) nennt drei Sorten
verschiedener Helligkeit. Die Materialbezeichnung
verblieb der Arriccio-Skizze, als diese auch mit anderen
Farbkörpern und Farben ausgeführt wurde. So kennt man
heute Sinopien in Schwarz, Grün, Gelb und Rot. Sie liegt
grundsätzlich auf dem Arriccion und setzt daher immer
einen Mehrschichtputz voraus. Mit der Sinopia erprobte
der Freskant noch nicht gereifte Kompositionen auf ihre
Erscheinung in der Fläche und im Raum. Er musste sich
auf ein phänomenales Gedächtnis verlassen können, da die
Arriccio-Skizze mit dem Auftrag des Intonacos dem Auge
wieder entzogen wird. Die Deckung der Sinopien mit den
ausgeführten Werken ist oft ganz erstaunlich.
Bereits an pompejianischen Malereien gibt es
Beispiele dafür, so im Hause des Labyrinth (2. Stil 80
v. Chr. - 20 n. Chr.) und Magdalenenberg Kärnten. Mit
dem Schwinden der antiken Mehrschichtputztechniken gehen
auch die Sinopiavorkommen zurück. bei der byzantinischen
Malerei war es deren weitgehend vorprogrammierten
Charakter, der offenbar weitgehend auf Sinopia
verzichten liess. Sie werden auch in keine der
byzantinischen Malerhandbücher erwähnt.
In Italien bestand allem Anschein nach eine dünne
Tradition weiter, denn in Brescia San Salvatore sind
schwarze Sinopien erhalten, die um 770 entstanden. Otto
III. liess 997 im Aachener Dom an den Umgangsgewölben
Malereien von einem italienischen Meister ausführen,
welche ebenfalls Sinopien zeigen. Erst in
spätromanischer Zeit setzte man in der Toscana die
Sinopie wieder ein. Sie wird nun in Italien fast
allgemein angewandt und erreichte auch italienisch
beeinflusste Gebiete wie die südlichen Alpentäler:
Kärnten, Tirol, Graubünden, Tessin, Südfrankreich. Im
Norden der Alpen bleibt die Sinopien nur eine Ausnahme.
Im 15. Jh. ersetzte man den Entwurf an der Wand durch
Vorlagen und rationalisierte im Laufe des 15./16. Jh.
die Übertragung durch Pausen. Dadurch erübrigte sich die
Sinopie. Erst in der barocken Grossmalerei fand die
Sinopia wieder Verwendung und dies im gesamten Europa.
7.1 Beispiele ab der Romantik
- Pontresina, Sta. Maria, um 1230, gelb
- Waltensburg, Waltensburger Meister, 1330, rot
- Chur, Kathedrale, Waltensburger Meister, 1330,
rot
- Avignon, Kathedrale Simone Martini, 1340, gelb
- Pisa, Campo santo, 1360
- Pestani, am Ochrider See, um 1370
- Bevers, Aussenbilder, um 1370
- St. Veits, Kärnten, 1406 - Arezzo, Palazzo
Communale v. Parri Spinelle, 15. Jh.
- Florenz, Chlostr Verde, Paolo Mullos, Ende 14.
Jh.
- Tirol, überall, 14. bis Ende 15. Jh.
- Barock, praktische jedes Wand- und Deckenbild ab
18. Jh.
- Piva, Jugoslavien, 18. Jh.
8. Intonaco-Skizze - Unterzeichnung
Die geometrischen Schemata der Sinpoie auf dem
Arriccio werden wiederholt, doch gehen die
Unterzeichnungen schon stärker auf Einzelheiten ein.
Friese, Felder, Hauptachsen von Figuren werden durch
Zirkel, Schlagschnur und Ritzinstrumente markiert.
Feldereinteilungen, Friesgrenzen, Achsenmarkierungen
trugen die Ägypter des alten Reiches bereits mit der
rötelgefärbten Schlagschnur auf. Sie skizzierten auch
rot vor und wiederholten die endgültige Zeichnung in
roten mehr in schwarzen Linien. Das blose Einritzen
erlaubt, die Umrisse bis zur Vollendung der Malerei vor
sich zu haben. Sie lässt sich zuerst in Mesopotamien
nachweisen, so 1900 v. Chr. in Mari oder im 8./7. Jh.
v.Chr. im Til Barsib. Im europäischen Bereich kommen die
ersten eingeritzten Konstruktions- und Hilfslinien im
kretischen Knossos vor, etwa um 1500 v. Chr. Wenig
später mit der rotgetränkten Schlagschnur im mykenischen
Tyrins um 1500 v. Chr. und bei den etruskischen
Grabkammermalereien des 6.-3. Jh. v.Chr. die Etrusker
markierten darnach die Figurenumrisse in Ritztechnik,
legten dann die Grundtöne an, die oft beträchtlich von
der geritzten Zeichnung abwichen. Die Technik hielt
sich, zum Teil vereinfacht, in der Spätantike, im
gesamten Mittelalter und der Frührenaissance. In
Frankreich kennt man für das Mittelalter ein besonders
aufschlussreiches Beispiel, das den Weg von den
Konstruktionslinien bis zum vollendeten Bilde in Etappen
aufweist. Durch die Auflösung des Ordens Chapelle des
Templiers de Montbellet (Saone et Laire) um 1314 zur
Zeit verlassen worden war, als die Ausmalung eben im
vollen Gange war. Hinterlassen wurden Bilder in
verschiedenen Stadien, von den ersten Markierungen bis
zu den Pentimenten des fertigen Werkes. Nicht selten
werden gelbe Unterzeichnungen mit Rot korrigiert
(Pentimente). Für Trockenauftrag werden Kohle, Rötel und
Bleistift verwendet; mit Steinen, Knochen und Holzstäben
geritzt. Für Unterzeichnung wurde benutzt: Gelber Ocker
oder Terra di Siena natur als gelb; für rot: Siena
gebrannt oder Ocker gebrannt; für grün: Grüne Erde und
für schwarz: Pflanzenschwarz.
Beispiele in Rot:
- Müstair
- Brescia
- Oberstenfeld, St. Peter, um 1300
- Bergè la Ville, 12. Jh.
- Oberwinterthur, um 1310
- Waltensburger-Meister, usw.
Beispiel in Gelb:
- Praktisch alle byzantinischen Malereien
- Pontresina, 1230
- Assisi, Cimabue 1272-80, Giotto, um 1300, Simone
Martini 1322-26
- Casti, rot-gelb
- Waltensburg, aussen rot, innen gelb
Beispiele in Schwarz:
- Prägarten, Maria Saal, 1435
- Burg St. Johann, um 1430
- Sitten, Valeria, Maggenberg, um 1435
Beispiele in Grün:
- Mazedonien, Ochrid, St. Johann, 11. Jh.,
gemischt
- St. Puy (Haute-Loire), Notre Dame, 12. Jh.
- S. Angelo, Formis, 12. Jh. - Prugiasco,
Negrentino, 12. Jh.
- Aquileia, Domkrypta, 12./13. Jh.
- Staro Negroricion, 13./14. Jh. schwarze Sinopia
und grüne Unterzeichnung
- Thörl, Kärnten - Thomas v. Villach, 1480
- Pontresina, Sta. Maria, 1495
Die wichtigsten Übertragungsarten sind:
- Übertragen durch Koordination (Quadratraster).
- Durch Herstellen von Schablonen, indem man den
Karton zerschneidet.
- Mittels Durchdrücken einer Vorlage auf den noch
frischen Putz, auf welchem sich die Ritzlinien dann
abzeichnen.
- Durch Lochpausen (Perforieren).
8.1 Koordinatenübertragung
Obwohl dem Architekten oder dem Steinmetzten wie dem
Zeichner von Musterbüchern das Quadratnetzsystem bekannt
war, fand es in der Wandmalerei erst im 15. Jh.
Anwendung. Schon den ägyptischen Steinhauern war es
bekannt. Als einer der Ersten an der Wand dürfte es
Tommaso, genannt Masaccio, 1401-1428, angewandt haben,
und zwar in Florenz, Sta. Maria Novela das
Trinitätsfresko. Der Verbreitung der Methode war vor
allem Leon Battiste Albertinis Schrift "Della Pittura
Libri III" 1435 förderlich, welche Brunneleschi gewidmet
ist. Es sind Zeitgenossen Albertinis gewesen, die sich
der neuen Errungenschaften angenommen haben. Nebest
Masaccio, Fra Fillipo Lippi und Luca Signorelli,
1441-1553.
8.2 Durchdrückverfahren
Als Werkzeug dienten Knochenadel, Hornstiel. Das
Instrument presst die Zeichnung in den frischen Putz,
die als leichte Ritzlinie im Verputz wieder zu erkennen
ist. Rafael wandte diese Übertragungsart an.
Michelangelo und die Signorelli ritzten mittel
Knochenspitzen durch. Im 17. und 18. Jh. ist das
Durchdrückverfahren an Wand- und Deckenbildern kaum mehr
wegzudenken.
8.3 Karton und Pausen
Die anspruchsvoller und komplizierter gewordenen
Bildprogramme haben zusammen mit einer schrittweise
intensiveren Erfassung perspektivisch verwickelter
Bildräume dazu geführt, unabhängig von der Wandfläche
auf einem gesonderten Träger (Pergament, Papier) zu
entwerfen. Der Wechsel vollzog sich hauptsächlich im 15.
Jh. Mit der Überschrift zu Kap. 16 in Vasaris
"Introduzione" ist gleichzeitig auch die Reihenfolge des
Vorganges mitgegeben. "Degli schizz, disetgni, cartoni
et ordine die prospettive" das heisst, der Weg von der
ersten flüchtigen Skizze zur ausführlicheren
Entwurfszeichnung, die dann auf dem Karton 1:1
vergrössert erscheint.
Nach Vasari: Jeden Tag dasjenige Stück des Karton
herausschneiden, das der Maler sich vorgenommen hat
auszuführen. Er presst die Silhouette zum Beispiel einer
Figur in die frisch aufgebrachte Portion Kalkputz,
welche so den Umriss eingedrückt hält. Die
Binnenzeichnung ritzt man mit einer Eisenspitze.
8.4 Schablonentechnik
Mit der Schablonentechnik überträgt der Maler auf
mechanische Weise sogenannte "stehende, sich immer
wiederholende Formenelemente". Sei es, dass diese aus
einer Folie herausgeschnitten und mit dem verbleibenden
Negativ eine positive Form gewonnen wird, sei es, dass
um das herausgeschnittene Stück herumgemalt im Bilde
einer Negativform ausgespart wird. Die Schablone erspart
überall da, wo Rapporte herzustellen sind, das heisst,
wo immer dieselben Motive sich wiederholen, die Kosten
und Mühen der stereotypen wiederholten Aufträge.
Die älteste Schablone ist die menschliche Hand,
welche der prähistorische Höhlenmaler zur Abdeckung
jener Stelle benutzte, die er von aufgestrichener oder
aufgeblasener Farbe frei zu halten beabsichtigte. Bei
den karolingischen Malereien in Müstair wurde eine
Schablone benutzt, wo der Maler die stets formgleichen
Füsse malte.
Die offenbar seltene Anwendung von Schablonen für
figürliche Bildszenen verlor ihren Sinn, sobald sich die
Malerei dem Diktat kanonisch festgelegter Formen entzog.
Als Anwendungsfelder verblieben dekoratives Beiwerk und
eigentliche Bordüren und Tapetenornamentik. Man bediente
sich ihrer für Imitation von Kosmatenarbeit, Masswerke,
Kreuzbogenfriese, Stick- und Webemuster, Gewandsäume und
Brokate mit geometrischen, pflanzlichen und tierischen
Motiven.
Simone Martini benutzte Schablonen für die
Dekoartionen in der Capella di San Martino.
Schablonierte Vögel zieren den Vorhangsaum eines Freskos
in San Quira zu Pedret in Spanien. In Ochrid,
Jugoslawien, findet sich in einer ehemaligen, heute als
Moschee dienende Basilika ein gemalter Heiliger, dessen
Brokatgewand aufschablonierte Doppeladler zieren. Viele
der italienischen Schablonenmotive, vor allem
sienesischen, florentinischen und venezianischen Schule,
wanderten als Ableger nach Norden. Über Südtirol
erreichten sie Graubünden und Kärnten und das weitere
Bodenseegebiet. Eine der bemerkenswertesten Stationen
ist das Schloss Runkelstein bei Bozen. Die Vorhänge und
Wandbehänge der um 1400 gemalten Wandbilder imitieren
orientalische Stickmuster. Hirsch, Adler, Steinbock und
Papagei sind die Hauptmotive.
9. Die Untermalung
Es gibt drei Arten von Untermalung; so den Lokalton
(Grund) für Gewänder, Inkarnate, Hintergründe und seit
dem Barock als Grundton den sogenannten Bolusgrund und
die Imprimitura. Die anderen zwei Arten sind bekannter,
nämlich die Veneda und das Verdaccio. Die beiden
letzteren Arten kommen nicht nur an Wandmalereien vor,
sondern auch in der mittelalterlichen Tafelmalerei.
10. Die Veneda
Sie ist eine graue bis schwarze Untermalung über der
immer ein Blau, seltener ein Grün folgt. Der Name Veneda
wird von Theophilus erstmals erwähnt in Kap. 15. In der
byzantinischen Malerei ist die Veneda, dort Linum
genannt (Dionysius Kap. 65), über alle Jahrhunderte
dunkelgrau. Dasselbe gilt auch weitgehend für den
Alpenraum und im Norden der Alpen. Im Süden der Alpen,
vor allem in Italien wie deren Einflussgebiete gibt es
auch eine rotgraue Veneda (Cennini, Kap. 83). In der
Freskomalerei wird die Veneda immer in Fresko
aufgetragen, die darüber folgenden Ägyptischblau, Lapis
Lazuli ebenfalls. Wurde für Blau aber Azurit und im
15./16. Jahrhundert Smalte verwendet, wurden sie im
Seccoverfahren über die Veneda gelegt. Die Veneda ist
während des Mittelalters in ganz Europa bekannt gewesen
und verschwand ab Ende des 15. Jh., ausser bei der
byzantinischen Malerei. Erstmals wird die
Grauuntermalung erwähnt bei Plinius (33. Buch, Kap.
5.27). Er empfiehlt über dem Paraitonium (weisser Bolus)
das Atramentum (eine schwarze Schicht) aufzutragen. Denn
über weiss erscheine die Chrypocolla (Malachit) zu
blass. Damit ist auch ein Teil des Zweckes der
Grauuntermalung erwähnt. Ein weiterer Zweck dieser
Untermalung war das Sparen. Mit den teuren Blaupigmenten
Lapis Lazuli und Azurit und dem Grünen Malachit ergibt
sich auf der Veneda viel schneller einen deckenden
Effekt. Im Bischöflichen Museum Trier sind mehrere
grössere Fragmente mit figürlicher Malerei von 321
n.Chr. ausgestellt. Dargestellt sind Eroten und
überlebensgrossen Portraits. Sie stammen von einer
Palastanlage, die 324/26 abgebrochen wurde (22). Die
Hintergründe zu diesen Eroten und Portraits zeigen die
Veneda mit darüberliegendem Blau an. Es ist somit der
früheste Beleg an einem Objekt mit dieser
Untermalungsart (23).
11. Verdaccio
Der Name stammt aus Florenz, war im 14. Jh. bereits
üblich und wird von Cennini in mehreren Kapiteln immer
wieder erwähnt. Im Kapitel 67 weist Cennini auf den
Begriff Bazzeo, der anstelle von Verdaccio in Siena
Gültigkeit hatte. In der byzantinischen Malerei wird es
Proplasmas (Dionysius, Kap. 16) genannt. Gemeint ist
eine Grünuntermalung für Inkarnate. Sie kommt vor in
Grüner Erde wie auch als ein Gemisch von Schwarz und
Ocker oder eine Mischung aus Weiss, Grün, Ocker und
Schwarz (24). Der früheste Beleg für die Anwendung des
Verdaccio gibt es Trier an dem schon unter Veneda
erwähnten Beispiel. Die römischen Malereien von 321
zeigen bei den Inkarnaten eindeutig das Verdaggio (25).
Im 18. Jh. erlebt das Verdaggio eine kurze, wieder
erblühte Fortsetzung im Süddeutschen Raum und in der
angrenzenden Schweiz und in Österreich durch Einflüse
von Italien. Es gibt drei Arten von Verdaccio
1. Die zeichnerische Anwendung:
Die Farben werden affresco direkt auf das geglättet
Intonaco aufgetragen, was der Italienischen Methode ab
Giotto bis ca. Ende 14. Jh. entspricht.
2. Das flächig angelegte Verdaccio:
Diese Variante ist in der byzantinischen Wandmalerei
ab dem späten 13. Jh. bis anfangs 19. Jh. und in Italien
und deren Einflussgebiete ab dem 14. Jahrhundert bis
Ende des 15. Jahrhunderts belegt. Die Grünuntermalung
liegt ausnahmslos voll flächig und deckend direkt auf
dem Intonaco, dies im affresco, bis auf ein von O.
Emmenegger untersuchtes Beispiel. In der evang.
Pfarrkirche Lavin, GR, wurde das flächige Verdaccio um
1490 von einem Eister aus dem Veltlin/IT für eine
Kalkmalerei angewendet. Das flächig angelegt Verdaccio
ist eigentlich der Vorläufer der Impirmitura und dem
Bolusgrund für die Ölmalerei auf Leinwand und der hievon
abgeleiteten Ölmalerei an der Wand. Auf das flächige
Verdaccio folgte jeweils die Binnenzeichnung, dann die
Weisshöhnung für Lichter, darüber auf alles der
lasierend aufgetragene Inkarnatston, dann das Wangenrot.
Die Konturen und das Nachziehen der Binnenzeichnung wie
das Setzen des Augensterns erfolgte beim Fresko meistens
in Secco.
3. Das Pseudoverdaccio (modernder Begriff):
Gennini verwirft dieses Verfahren im Kap. 67: "Andere
geben dem Gesicht zuerst einen Fleischton, schattieren
dann mit etwas Verdaccio und Fleischfarbe, setzten mit
Weiss ein paar Lichter auf und begnügen sich damit. Das
ist aber die Methode derer, die wenig von Kunst
verstehen. Du aber halte dich an die Malweise, die ich
dir zeigen will, denn auch der grosse Meister Giotto
bediente sich ihrer". Hier geht Cennini an der
Wirklichkeit vorbei und sieht nur in der sicher wirklich
grossen Erneuerung Giottos die grosse Kunst. Beim
Pseudoverdaccio handelt es sich immerhin um eine
römische und frühbyzantinische Technik, die
byzantinische Maler nach Westeuropa brachten. Sie lässt
sich vom 7. bis 14. Jh. laufend belegen. So zum Beispiel
in Rom, Sante Maria Antiqua, die sogenannte
byzantinische Madonna; Brescia, San Salvatore, 8.
Jahrhundert; Reichenau, Oberzell, Sankt Georg, 10.
Jahrhundert; Lambach bei Wels, Stiftskirche, 1089; Berze
la Ville, Chateau de Moines, Kapelle, 12. Jh; Aquileau,
Domkrypta, 12./13. Jh.; Rovio/TI, San Viglio, 13. Jh.
In Graubünden hielt sich diese Tradition weit in das
14. Jh. hinein. Der Waltensburgermeister bedientte sich
in mehreren Werken des Pseudoverdaccio (von 1320 -
1340).
11.1. Lasurschichten
Unter Lasuren versteht man transparente Farbaufträge,
die den darunter liegenden Lokalton, die Schattierungen
und Lichthöhnungen nicht zudecken sondern durchscheinen
lassen. Eine lasierende Farbschicht entsteht dadurch: A,
indem die Farbe stark verdünnt wird, weshalb sie so
weitauseinander gestreut auf der darunterliegenden
Schicht verteilt ist, dass zwischen ihnen hindurch die
darunterliegende Farbe erscheint. B, die Lasurfarbe
besteht aus Pigmenten mit grobkristallinischer Struktur,
die dadurch nur schwach decken. Typische Lasurfarben für
die Fresko- und Kalkmalereien sind die Grüne Erde, Terra
di Siena natur (gelb) und gebrannt (rot). Für die
Tempera- und Ölmalerei kommen hinzu die Farblacke. Durch
lasierenden Farbauftrag entstehen feinste
Schattenübergänge oder man drängt damit eine zu
aufdringlich erscheinende, feurige Farbe mit Lasuren
zurück, was durchaus im künstlerischen Konzept
einkalkuliert ist. Der dadurch entstandene Farbton zeigt
Tiefe und wirkt körperhaft. Eine solche optische
Mischung lässt sich durch eigentliches Mischen mit
Farbpigmenten nicht nachahmen.
12. Lichter und Schatten
Erst in hellenischer/frührömischer Zeit wird die
Modellierung durch Setzen von Schatten und Lichter
eingeführt. Die Schatten entstanden durch dunkle
Untermalungen die ausgespart bleiben von aufgesetzten
Lichtern, zum Beispiel bei einem Inkarnat der für
Schatten das Verdaccio oder der Bolusgrund. Bei einem
hellen Grund durch übergehenden mit Lasuren von
dunkleren Pigmenten. Lichter werden gesetzt mit hellen
Farben auf dunkle Gründe, mit Weiss bei Inkarnaten,
helle, rot oder gelb auf rote Gewänder usw. Die
Intensität wie Abstufungen von Lichtern entstehen durch
mehrfaches Wiederholen. An den romanischen Malereien
werden auf dunkelrote Gewänder blaue Lichter gesetzt,
zum Beispiel in Sant Angelo in Formis 12. Jh. der
Purpurmantel mit Lapis Lazuli für die
Christusdarstellunge. Dasselbe Blau diente als Schatten
für weisse Kleider. Die Art der Pinselführung, mit der
Lichter oder Schatten gesetzt sind, lässt sich
stilistisch einteilen. Die freie, spontane und
pointilistische Art, Lichter zu setzten, wie dies in
hellenistischer/römischer Zeit gepflegt wurde,
wiederholt sich erst im Barock. Von einem streng
hierarchischen Netz gezogener Linien, das an die
strengen Linien des Mosaiks erinnert, ist das Früh- und
Hochmittelalter geprägt. Selbst die Art, wie in
karolingischer und ottonischer Zeit für Gesichter die
Weisshöhnungen gemalt wurden lässt sich von denen der
Romanik unterscheiden. Die Weisshöhnungen der Romanik
werden mit eng parallel nebeneinander gereihten Linien
gesetzt.
Sie sind eng nebeneinander bei starkem Licht und mit
grösser werdenden Abständen bei schwachem Licht. Sehr
starkes Licht wurde erzielt durch zusätzliches
Übereinanderlegen von weissen Linien. Bei den
karolingischen und ottonischen Köpfer zweigen die in
Linien gezogenen Lichter von den Augen- und Mundwinkeln,
von der Nase und dem Kinn, krähenfussartig auseinander.
13. Seccoaufträge mit Fresko- und Kalkmalereien
Innerhalb von Fresko- oder Kalkmalereien gibt es
immer Partien, die in Seccotechnik beendet wurden. Es
sind dies Partien, die mit nicht kalkechten Pigmenten
ausgeführt wurden, oder Setzen von tiefsten Schatten bei
blauen und grünen Partien, für Binnenzeichnungen und
Augen, aber auch für die Schwarzlotzeichungen über der
flächig angelegten Kalkmalerei, wie sie typisch sind bei
Malereien anfangs 16. Jh. Aber auch Partien, die mit
Pigmenten gemalt wurden, die nur im Seccoauftrag die
gewünschte Farbwirkung ergeben. Für solche Seccoaufträge
wurden Bindemittel verwendet wie Leime tierischer
Herkunft, von Pflanzen als natürliche Emulsionen, oder
Kohlenhydrate, also weitgehend wässrige Bindemittel, die
stark verdünnt verwendet wurden. Die Seccoarbeiten an
einem Fresko oder an einer Kalkmalerei erfolgen erst,
wenn sämtliche vorher ausgeführten Malvorgänge inklusive
Verputz- und Kalkschichten, absolut trocken sind. Es
sind also die letzten Arbeiten am Werk, sozusagen der
Schlusspunkt.
14. Die Sgraffitotechnik
Vasari schildert in seinen Künstlerbibliographien als
Einleitung zu Kap. XII die Sgraffitotechnik. Zitat: "Die
Maler wenden noch eine andere Art von Malerei an, die
zugleich..."
Gegenüber Wandbildern und gemalten Dekorationen wird
das Sgraffito heute noch oft als zweitrangig betrachtet.
Dieses Fehlurteil sollte schon längst revidiert werden.
Das Sgraffito ist mehr als nur Dekoration oder
Volkskunst. Dieser baukünstlerische Schmuck demonstriert
geradezu wie abhängig Wandmalerei zur Architektur ist.
Die Architektur kann damit unterstützt werden oder die
Baustruktur wird aufgelöst und mit einem neuen Motiv
überzogen, das eine reichere oder gar andere Architektur
vortäuscht. Es werden auch andere Baumaterialien
imitiert wie grosse Steinquader oder Ziegel. Erst seit
dem 20. Jh. wird das Sgraffito als Bildtechnik von
nahmhaften Künstlern gepflegt (Hackenberg Winterthur,
Semper, Weingartner, Danioth, usw. früher: Vasari,
Bramantino)
15. Entwicklungsstufen der Sgraffito
- Anfänge, Quaderimitationen Fläche
herausgekratzt, Fugen belassen.
- Später do. zusätzlich Dekorationsfriese
- Später do. mit Friesen und Architekturmotiven um
Fenster
- Anteil mit gekratzten Flächen zu getünchten
Flächen = 50:50 Dekors werden reicher
- Anteil der Weissfläche wird grösser (Alpenraum
zusätzlich)
- Alpenraum zusätzlich, wie Toscana, verputzte
Fläche werden total getüncht, Motive herausgekratzt.
- Ab 16./17. Jh. eingefärbte Putzschicht und
freigekratzte grosse Fläche mit Farben einlasiert,
auch unter Tünche Farblasuren
- Graubünden, 16., 17., 18., 19. Jh. Arriccio zum
Teil auf Sicht belassen, grobe Struktur, Intonaco
zum Teil unter Aussparung des Arriccios getüncht,
Motive herausgekratzt.
- Mehrschichtige und eingefärbte Putze 20. Jh.
- Pseudosgraffito Nagelriss 17./18. Jh.
- Pseudosgraffito gerillt und mit Kalk nachgezogen
12., 13., 14., 15.Jh.
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