Putz- und Wandmalerei in der Schweiz
Autor: Prof. Oskar Emmenegger
Was die Art der Wandmalereifestigung betrifft, besteht die Meinung, dass die
Alpen fast normmässig die Grenze bilden: Im Süden erfolgt das Festigen mit
Paraloid, im Norden mit Kieselsäureester. In der Tat bestimmt aber die
Maltechnik und der Zustand einer Malerei welche Werkstoffe für die Konservierung
und die Festigung - sofern überhaupt erforderlich - anzuwenden sind.
Gewiss ist, dass die Alpen sowohl Stau- wie Durchlassraum für die Techniken
der Wandmalerei sind. Im Süden finden sich vom frühen Mittelalter bis zum Barock
fast ausschliesslich Freskomalereien; im Norden hingegen kommt vom Mittelalter
bis zur Renaissance vorwiegend die Technik der Kalkmalerei vor und ab dem 14.
bis zum frühen 16. Jahrhundert die Temperamalerei. Ab dem späten 17. Jahrhundert
vor allem bis Mitte des 18. Jahrhunderts wurde auch die Ölmalerei angewendet.
Im 19. Jahrhundert bis zum frühen 20. Jahrhundert fanden nördlich der Alpen
neue Secco-Techniken Einzug: Zuerst die Leimfarbmalerei, dann mit dem
neopompeijanischen Stil die Wachsharzmalerei, eine Art Enkaustik und ab dem
späten 19. Jahrhundert die keimsche Mineralfarbmalerei.
Um das Thema „Putz und Wandmalerei in der Schweiz“ darstellen zu können, möchte
ich die Herkunft und Entwicklung der Freskomalerei und die geografische
Bedingungen der Schweiz kurz erläutern.
Die Wiege der Freskomalerei liegt bekanntlich in der Ägäis und den Kykladen
und zeigt zwischen zirka 2000 bis 1425 vor Christus den 1. künstlerischen
Höhepunkt in der minoischen Kultur auf Kreta und Santorin. Die Nachfolge
übernahmen die Mykener, erreichten aber nur selten die Qualität des minoischen
Stils, wie Malereien des 14. bis 12. Jahrhundert vor Christus in Tyrius, Chora
und Nauplia belegen. Einen weiteren Höhepunkt bildet die griechisch
hellenistische Freskomalerei. Durch die Griechen entwickelten zum Beispiel in
Paestum, Pompeij und Herculanum ein technisch perfekter Stand der Freskomalerei,
er wurde von den Römern fortgesetzt. Sie verbreiteten die Freskotechnik im
ganzen Mittelmeerraum und auch nördlich der Alpen: Frankreich, Deutschland,
Schweiz, Österreich ja bis England.
In Byzanz, dem ehemals oströmischen Reich, mit der Hauptstadt Konstantinopel
(Istambul), blieb die griechische Region das Kernland der Freskomalerei.
„Byzantinisch“ ist nicht nur ein geografischer, politischer oder kirchlicher
Begriff, sondern gilt auch für die kulturelle und künstlerische Auffassung.
Byzantinische Künstler bestimmten in Mitteleuropa noch während der romanischen
Epoche bis zur so genannten byzantinischen Renaissance, die zirka Mitte des 13.
Jahrhunderts endet, das technische Vorgehen für das Fresko. Sie verbreiteten die
Freskomalerei von Süden kommend bis in den Alpenraum.
Die wichtigsten Alpenübergänge des frühen Mittelalters führten im Westen der
Schweiz über den Grossen St. Bernhardpass vom Aostatal nach Martigny im Wallis
und von da durch die Westschweiz Richtung Basel nach Deutschland. Im Südosten
führten die Wege von Verona durch das Südtirol zum oberen Vintschgau über den
Reschenpass nach Österreich und Deutschland oder nach Müstair im Münstertal und
ins Engadin in Graubünden. Von dort via Chur in die Bodenseeregion bis Augsburg.
Eben so wichtig waren die Routen von Como ausgehend nach Chiavenna, über den
Splügenpass oder via Maloya in das Oberengadin und über den Julierpass nach Chur
Richtung Deutschland; oder durch den südlichen Teil des Tessin nach Bellizona,
durch das Misoxs über den San Bernadinopass nach Chur und weiter nordwärts. Erst
im späten 13. Jahrhundert wurde der Gotthardpass einer der wichtigsten
Alpenübergänge mit der Route durch den Tessin, die Innerschweiz via Luzern
Richtung Basel nach Deutschland und Frankreich. Bis zur Erschliessung dieses
Passes war das obere Tessin punkte Maltechnik eine typische Stauzone. Nach der
Erschliessung wurde der Gotthardpass zum Tor des Kulturaustausch. Nicht umsonst
befindet sich ausserhalb Italien der erste Renaissancebau, die Collegiata in
Bellinzona und der erste Renaissancebau nördlich der Alpen in Luzern; entstanden
1556 bis 1561.
Die Wandmalerei in der Schweiz, dem kleinen Vielvölkerstaat, sind ein
Ergebnis der verschiedenen Kultureinflüsse aus Süd- und Nord, Ost und West.
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