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Das Restaurieren von Wandmalereien, gestern heute morgen
Autor: Prof. Oskar Emmenegger
Die Restaurierung von Wandmalerei steht im Gegensatz zum mobilen Kunstgut wie
Tafelbilder und Skulpturen in der Entwicklung zurück. Dies bestätigt sich auch
wenn man die Möglichkeiten der Ausbildung vergleicht. Die für mobiles Kunstgut
ist schon seit Jahrzehnten in ganz Europa organisiert, so an verschiedenen
Akademien und Instituten in Stuttgart, Wien, Rom, Paris, Krakau, Brüssel,
London, Amsterdam, Zürich, usw. Um die Wandmalerei hat sich vorerst überhaupt
nur die Denkmalpflege gekümmert und ihre Erfahrungen an Praktikanten
weitergegeben. Am frühesten hat man wohl in Rom, am Instituto del Restauro, die
Wandmalerei in das offizielle Lehrprogramm aufgenommen. Dies ist insofern
logisch, weil gerade Italien wohl das grösste Angebot an Wandmalerei bietet und
seit Jahrhunderten haben die berühmtesten Maler Italiens, der reichen Tradition
entsprechend, sich immer mit der Wandmalerei beschäftigt. An der staatlichen
Akademie der bildenden Künste in Stuttgart hat man am Institut für Technologie
der Malerei 1974 bis 75 versucht, die Wandmalerei in das Lehrprogramm
aufzunehmen. Aus organisatorischen Gründen konnte die Lehrveranstaltung nach
vier Semestern nicht mehr durchgeführt werden. Es blieb aber seither wenigstens
bei Vorlesungen mit zwei Stunden pro Woche, die jeweils am Ende eines Semesters
als einwöchiges Blockseminar veranstaltet werden. Ein intensives Lehrprogramm
wurde an der staatlichen Akademie der bildenden Künste in Wien seit 1984
geboten, das vierte Semester dauerte (Anmerkung: Oskar Emmenegger). Diese
Lehrveranstaltung ist aus organisatorischen Gründen momentan unterbrochen. Die
Hochschule für bildende Künste in Dresden bietet ebenfalls seit ein paar Jahren
eine vier Semester dauernde Ausbildung für Wandmalerei. In Bern ist an der
Schule für Gestaltung bei der Fachklasse für Konservierung und Restaurierung die
Wandmalerei seit 1982 im offiziellen Lehrprogramm enthalten. Die jüngste
permanente Ausbildungsmöglichkeit wird nun in Köln geboten wo an der
Fachhochschule für Konservierung und Restaurierung ein volles Lehrprogramm für
Wandmalerei geboten wird. Man kann hier nur noch sagen langsam, aber sicher...
Die Anfänge einer Art von Konservierung von Wandmalereien, natürlich sie
abzulösen und an einen neuen Standort zu übertragen, geht in die römische
Zeit zurück. Doch die ersten Grosstaten von Wandbildabnahmen erfolgten in
Italien während der Renaissance und im 19. Jahrhundert mit der Erfindung der
Distaco- und Strappomethode (weiteres siehe unten). Erst nach Mitte des 19.
Jahrhunderts setzt der Beginn der Restaurierung von Wandmalereien ein. Wobei
vorerst unter Restaurieren nördlich der Alpen, freilegen von Wandmalerei,
retouchieren, übermalen und ersetzen derselben verstanden wurde. Südlich der
Alpen bestand das Problem der Freilegung seltener. Wenn sie dort nicht wegen
Modeeinflüssen zugedeckt wurden, hat man die Malereien, wie der Volksmund heute
noch sagt "aufgewischt", das heisst übermalt.
Die berechtigte Frage, warum man erst so spät mit der Restaurierung von
Wandmalerei begann, ist heute noch nicht genau zu beantworten. Vieles liegt hier
noch im dunkeln und kann im Moment nur mit geschichtlichen Ereignissen in
Zusammenhang gebracht werden. Zugleich sind im 19. Jahrhundert die Gründe am
Verständnis, respektive die Antipathie an Wandmalereien, südlich der Alpen und
im mediterranen Bereich nicht dieselben wie nördlich der Alpen. Es sind nochmals
verschiedene in Frankreich gegenüber den deutschsprachigen, skandinavischen
Nationen und gegenüber Holland wie England. Während die südlichen Alpentäler und
die europäischen Länder der Alpensüdseite durch viele Jahrhunderte eine
ungestörte Tradition zur Wandmalerei hatte, entstand ein erster gewaltsamer
Bruch im 16. Jahrhundert durch die Reformation. In evangelisch gewordenen
Gebieten hat man in Kapellen und Kirchen die Wandmalereien zugedeckt. Dieses
Bekenntnis, alle Malerei aus der katholischen Zeit zu ignorieren, hielt zum Teil
in der Schweiz noch bis 1960 an. Nur die dünn gesäte Profanmalerei konnte sich
halten. In den katholisch verbliebenen Regionen und Ländern wurden Wandmalereien
eigentlich nur durch modische Veränderungen zugedeckt.
Die französische Revolution und die Verarmung vieler Länder Europas danach,
brachen im Höhepunkt einer jahrhundertealten Entwicklung von der Antike bis zum
Rokoko, vollends mit der Wandmalerei. Das Interesse der reinen nackten
Architektur und die Wende zum nüchternen Zweckbau und zur Rationalisierung, aber
auch die Romantik setzte sich durch. Materialgerechtes Denken nahm jedes
Bekenntnis zur Farbgebung an Gebäuden und anderen Kunstgegenständen. Polychromie
an Architektur, an Plastiken und Schmiedeisen verschwand. Was Winkelmann als
Ideologie 17 in die Welt verkündete und selbst von Goethe vertreten wurde,
wirkte sich verheerend aus auf das Verständnis für die Wandmalerei. Der ganze
Traditionsfluss der Wandmalereitechniken, insbesondere der Fresko- und
Kalkmalereitechnik, ging innert kürzester Zeit verloren. Die Wende für das
Interesse am Kunstgut galt vorerst wiederum dem mobilen Kunstgut, denn es liess
sich bergen, transportieren und was überhaupt später ausschlaggebend wurde: mit
mobilem Kunstgut liess sich Handel treiben. Doch je mehr durch die Eisenbahnen
die mediterranen Länder für viele Reisende erschlossen wurden, fand sich
vermehrtes Interesse an Wandmalereien. Der Forschung, Kunstgeschichte und
Archäologie boten sich nun ungeahnte Möglichkeiten der Erkenntnisse.
Kunsthistoriker wie Semzer, Burkhardt.
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